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Franz Rosenzweig

Religionsphilosoph aus Kassel

Bienenstock, Myriam/Brumlik, Micha/Burkhardt-Riedmiller, Regina u a
Erschienen am 16.11.2011
20,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783933617477
Sprache: Deutsch
Umfang: 140 S., 120 Illustr.
Format (T/L/B): 1.5 x 20.5 x 21.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Der vorliegende Sammelband widmet sich Leben und Wirken des großen Kasseler Philosophen Franz Rosenzweig (1886-1929). In zwölf reich bebilderten Beiträgen von Myriam Bienenstock, Micha Brumlik, Regina Burkhardt-Riedmiller, Benyamin Maoz, Reinhold Mayer, Ephraim Meir, Ursula Rosenzweig, Inken Rühle, Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, Stefan Schreiner, Eva Schulz-Jander sowie Josiah und Jules Simon wird sein Schaffen facettenreich aufgefächert. Die Autorinnen und Autoren aus drei Kontinenten gehen auf die Geschichte der Familie Rosenzweig in Kassel ein, beleuchten Rosenzweigs Liebesbeziehung zu Margrit Rosenstock-Huessy, der Ehefrau seines Freundes Eugen Rosenstock, und schildern die letzten sieben Jahre seiner Totallähmung, die ihn nicht nur ans Krankenlager fesselte, sondern ihm auch die Sprechfähigkeit raubte. Im Zentrum der Artikel stehen seine bedeutenden, impulsgebenden Werke: Zum einem Der Stern der Erlösung, der weltweit als ein herausragendes religionsphilosophisches Hauptwerk anerkannt ist. Rosenzweig entwarf dessen Grundzüge auf Feldpostkarten als deutscher Soldat an der Balkanfront in den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges. Zum anderen seine gemeinsam mit Martin Buber begonnene Verdeutschung der Schrift, mit der sie versuchten, dem assimilierten Judentum die sprachliche Besonderheit und Schönheit des hebräischen Bibeltextes zugänglich zu machen. Weitere Themen sind Rosenzweigs Neubestimmung des Judeseins in der Moderne, seine Bildungstheorie und ihre praktische Umsetzung im Freien Jüdischen Lehrhaus in Frankfurt am Main sowie schließlich seine Vision einer gegenseitigen Anerkennung von Juden und Christen in ihren bleibenden Glaubensdifferenzen.

Leseprobe

Einleitung In vielen deutschen Städten wie Hamburg und Berlin, München und Frankfurt am Main lebten einst auch in Kassel wohlhabende jüdische Bürger. Namen wie Aschrott, Blumenfeld, Gotthelft, Nußbaum und Rosenzweig zeugen davon. Sie alle haben bis in die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein wesentlich mitgewirkt am wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und sozialen Reichtum Kassels. Sie waren hier zu Hause. Aber was bedeutet das? Kann man deutsch-jüdische Geschichte bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten unter einem positiven Blickwinkel betrachten, wirft doch die Shoah ihren dunklen Schatten nicht nur bis in unsere Zeit hinein, sondern auch auf die ihr vorausgehende und stellt die eindrucksvollen Leistungen, die selbst der aufkommende Antisemitismus noch nicht ernsthaft behindern konnte, noch nachträglich in Frage. Dennoch sollten wir die beachtlichen Beiträge jüdischer Industrieller, Politiker, Wissenschaftler, Kulturschaffender und Intellektueller nicht nur im Lichte des Scheiterns betrachten, sondern ihre Mitwirkung bei der Entwicklung der deutschen Gesellschaft entsprechend würdigen. Galt doch die deutsch-jüdische Geschichte "im europäischen Kontext bis zum Aufkommen des Nationalsozialismus durchaus als eine Erfolgsgeschichte." Zwei Namen, wie es Schalom Ben-Chorin 1986 in seiner öffentlichen Ansprache aus Anlass des ersten Internationalen Franz-Rosenzweig Kongresses ausdrückte, markieren Anfang und Ende dieser "Erfolgsgeschichte": Moses Mendelssohn und Franz Rosenzweig. Steht Moses Mendelssohn (1729-1786) im aufklärerischen 18. Jahrhundert für den Eintritt der Juden in die deutsche Gesellschaft, so steht Franz Rosenzweig (1886-1929), am Vorabend des Nationalsozialismus, für ihr furchtbares Ende. Gewissermaßen können wir Leben und Wirken eines der letzten Vertreter des deutschen Judentums als Spiegelbild deutsch-jüdischer Geschichte ansehen. Durchschritt er doch in der kurzen Spanne seines nur 43 Jahre währenden Lebens die Stufen dieses fragilen Gebildes. Wie viele seiner Zeitgenossen verspürte auch er die Anziehungskraft der deutschen Kultur, die Versuchung des Christentums, die Unzufriedenheit mit dem oberflächlichen religiösen jüdischen Leben, wie er es kennen gelernt hatte. Der vorliegende Band versucht, diesen Weg aufzufächern. Er wird eröffnet durch Ursula Rosenzweigs Nachzeichnung der Geschichte der Familie Rosenzweig. Isaak Rosenzweig, Stammvater der Kasseler Rosenzweigs, kam etwa 1815 als Lehrer nach Kassel. Wie so viele jüdische Familien in Deutschland waren auch sie den Weg von Ost nach West gegangen, von einem jüdisch gelebten Leben hinein in ein assimiliertes Leben in Deutschland, in dem das Judentum, reduziert zum Lippenbekenntnis, für die Lebensführung von nur noch geringer Bedeutung war. Franz Rosenzweig wurde in eine solche assimilierte und erfolgreiche Familie 1886 hinein geboren, verehrte die deutsche Kultur und ging schließlich einen anderen Weg. Myriam Bienenstock zeichnet diesen geistigen Weg nach, der ihn vom deutschen Idealismus über Schopenhauer und Nietzsche hinführt zum neuen Denken, das sich bewusst aus dem Judentum speist und sich der Herausforderung der religiösen Sinnfragen stellt. Rosenzweig studierte Geschichte und Philosophie und erfuhr, wie viele andere junge Juden seiner Zeit, den Reiz der deutschen Kultur, die überragende Denker wie Kant, Schleiermacher und Hegel aufzuweisen hatte. An ihnen musste er sich abarbeiten, ehe er zu seinem innersten Kern finden konnte. Jules und Josiah Simon zeigen in ihrem Beitrag, wie Rosenzweigs Auseinandersetzung, ja sein Ringen mit Hegel und den damals geläufigen Hegel-Interpretationen ihm einen Platz unter den Hegel-Kennern sicherte, ihm aber auch eine Folie war, um zum eigenen Denken zu finden. Dieses gipfelt in Rosenzweigs Hauptwerk Der Stern der Erlösung, auf das Wolfdietrich Schmied-Kowarzik näher eingeht. Jüdisches Leben und Denken fand in einem christlich geprägten Umfeld statt, und es gab so etwas wie die Ve